Eine neue Chance

30.03.2016 CJD Sachsen-Anhalt « zur Übersicht

Jugendwerkstatt des Sangerhäuser CJD ist neu zertifiziert.

Mitteldeutsche Zeitung vom 30.03.2016

VON BEATE THOMASHAUSEN

SANGERHAUSEN/MZ

In der Tischlerei in der Hasentorstraße duftet es nach frisch geschnittenem Holz und nach Leim. Überall auf den Werkbänken stehen angefangene Werkstücke. Eins davon ist ein Fass, besser ein Regal, das einem Fass nachempfunden ist. Martin Perling arbeitet daran. „Mir macht die Arbeit mit Holz Spaß“, sagt er. Obwohl er bereits 29 Jahre alt ist, denkt der Sangerhäuser erst jetzt wirklich über seine eigene berufliche Zukunft nach. Vorher war das nicht wirklich ein Thema für ihn.

Die jungen Männer und Frauen bekommen in der Jugendwerkstatt des Christlichen Jugenddorfs Deutschland (CJD) bei Carola Jörke und Ralf Bechtle eine neue Chance. Wer hierher kommt, der hat in seinem jungen Leben schon einiges mitgemacht. Schulabbruch, keine Lehre, Haft, Sucht - das sind die Erfahrungen, die die jungen Männer und Frauen gesammelt haben. Was ihnen hauptsächlich fehlt, ist eine Struktur für ihren Tag. Die Sozialpädagogin und der Lehrausbilder können ihnen beibringen, was es heißt, an jedem Morgen aufzustehen und einer Arbeit nachzugehen. „Das schließt ein, dass wir hinterher telefonieren und auch zu den jungen Leuten hinfahren“, sagt Jörke. An diesem Tag muss sie zwei der Teilnehmer aus den Federn holen. „Das gehört dazu. Einfach nur anrufen, das hilft meistens nicht. Aber wenn ich vor der Tür stehe, das ist dann noch mal was anderes“, sagt Carola Jörke. Sie weiß aus der Erfahrung, dass diese Methode zieht und sich die Teilnehmer beim nächsten Mal überlegen, ob sie wieder schwänzen.

Für Perling ist es mittlerweile schon selbstverständlich geworden, dass er morgens in der Werkstatt sein muss. Aber auch für ihn war das ein Lernprozess. Heute ist sich der junge Mann nicht nur sicher, dass er Tag für Tag zur Arbeit gehen wird, sondern auch, dass er seine Arbeit - in diesem Fall ein schickes Bücherregal - vollenden wird. Auch etwas, was er in der Jugendwerkstatt gelernt hat: an einer Arbeit dranzubleiben. Immerhin soll es einmal seine Wohnung zieren. Auch um neue vier Wände für den jungen Mann hat man sich in der Jugendwerkstatt gekümmert. „Ein privater Wohnungsanbieter gibt Martin eine neue Chance“, freut sich Carola Jörke.

Eigens für ihn wurde jetzt sogar ein Ein-Euro-Job in der Jugendwerkstatt eingerichtet, um ihn noch einige Zeit länger unter die Fittiche nehmen zu können. Danach kann er sich vorstellen, einen Job in einer Tischlerei anzunehmen, aber auch Garten- und Landschaftsbau seien etwas für ihn, sagt der 29-Jährige. Ein Riesenfortschritt für ihn, nachdem es ohne Wohnung, ohne Job und ohne familiäres Hinterland gar nicht rosig ausgesehen hatte. Die Jugendwerkstatt des CJD Sangerhausen hat vor elf Jahren ihre Arbeit aufgenommen. Nachdem sie bis 2012 Jahr um Jahr frei gefördert wurde, ist die Einrichtung nun eine von der Arbeitsagentur zertifizierte Maßnahme. Das Zertifikat wurde erst jetzt wieder bis zum Jahr 2019 neu an die Werkstatt vergeben. Bis zu 15 Jugendliche werden in der Werkstatt betreut und nach und nach an eine feste Tagesstruktur herangeführt. Denn genau das sei das Hauptproblem aller jungen Männer und Frauen, die in der Jugendwerkstatt betreut werden, so Jörke. (mz)