Zum Inhalt springen

Ein neues Familienmitglied

03.06.2019 CJD Sachsen-Anhalt « zur Übersicht

E-Center Schönebeck stellt Marcus Kowalski als ersten Mitarbeiter im Rahmen eines Inklusionsprogramms fest ein.

Volkstimme Schönebeck Elbe-Saale-Rundblick 01.06.2019

AUTOR: Kaya Krahn

VS/Schönebeck

Schönebeck l Es ist noch dunkel und kalt, wenn Marcus Kowalski um 4 Uhr zuhause aufsteht und sich auf den Weg zur Arbeit macht. Ab 6 Uhr steht er im E-Center Schönebeck und bereitet alles für die Kunden vor. Er strahlt, das frühe Aufstehen mache ihm nichts aus. „Ich mag alles an dem Job, für mich ist es hier wie eine Familie, und die anderen wissen, dass sie sich immer auf mich verlassen können“, schwärmt der 32-jährige.

Und nicht nur er fühlt sich hier sehr wohl, auch seine Kollegen und Kunden haben ihn ins Herz geschlossen. Seine Behinderung spielt hier für niemanden eine Rolle. „Es macht gar keinen Unterschied mehr, ob er über die Werkstatt hier her gekommen ist. Im Gegenteil, Marcus ist eine große Stütze, er kommt sogar an Brückentagen, und manchmal müssen wir ihn daran erinnern, seine Pausen einzuhalten um nicht durchzuarbeiten“, erzählt Andrea Seelig, die Schwerbehindertenvertretung der Edeka Markt Minden-Hannover. Sie war es auch, die sich mit dem Integrationsfachdienst und dem Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) Schönebeck, eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung, zusammensetzte, um Marcus Kowalski als regulären Mitarbeiter anzustellen.

Vom Praktikanten zum Handelshilfsarbeiter

Marcus Kowalski arbeitet schon seit 2015 in dem Schönebecker Markt. Er fing damals als Praktikant mit drei weiteren jungen Menschen aus dem CJD an. Nach dem Praktikum arbeitete er weiter im Center; eine sogenannte Außenarbeitsstelle der Werkstätten. Doch Andrea Seelig war das nicht genug. Sie setzte sich mit der Integrationsfachkraft Maren Liebe und den Werkstätten zusammen, um gemeinsam einen regulären Arbeitsvertrag auszuarbeiten. Ab heute bekommt Marcus Kowalski Tarifgehalt, er hat einen Kündigungsschutz, und der Arbeitsplatz kann nach seinen Bedürfnissen angepasst werden, sollte es nötig sein. Seine Aufgaben dabei bleiben gleich. „Ich räume die Regale ein, ziehe Pappe und kümmre mich um die Mindesthaltbarkeitskontrollen“, erklärt der junge Mann.

Neue Chancen

Doch nicht nur für Marcus Kowalski bietet der neue Vertrag Chancen, auch für den Betrieb ist es eine Entlastung. „Seit letztem Jahr gibt es das Budget für Arbeit“, erklärt Maren Liebe. „Dadurch bekommen Unternehmen Zuschüsse, sodass sie finanziell entlastet werden und den Angestellten einen optimal auf sie angepassten Arbeitsplatz bieten können“, so Liebe weiter. Darunter fallen etwa zusätzliche Pausenzeiten und eine angepasste Betreuung am Arbeitsplatz. Sollte es doch nicht so funktionieren wie erhofft, können die Betroffenen wieder in die Werkstätten zurück, ohne dass sie oder das Unternehmen einen finanziellen Schaden davontragen.

Bis zu 320 Euro Strafe statt Inklusion

Die Verfügungstellung des Budget für Arbeit war ein wichtiger Schritt in Sachsen-Anhalt. Der Grund dafür ist so simpel wie traurig: In der EU-Behindertenrechtskonvention steht, dass jeder Mensch ein Recht auf Arbeit hat. Doch die Quoten in Sachsen-Anhalt und dem Salzlandkreis sind schlecht. In Sachsen-Anhalt sind nur 3,4 Prozent der Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderungen vergeben; im Bundesschnitt sind es 4,6 Prozent. Noch weniger sind es im Salzlandkreis - nur 3,2 Prozent. Das erschreckendste an den Zahlen: Die Unternehmen bezahlen oft lieber Ausgleichszahlungen in Höhe von bis zu 320 Euro monatlich, statt fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Schwerbehinderte zu vergeben.

Doch es gibt immer wieder Projekte, die sich für mehr Inklusion einsetzen. So auch das Landesmodellprogramm, über das Marcus Kowalski seinen Job bekam. Es nennt sich „Übergang-WfbM-Arbeitsmarkt“. Bei dem Programm soll Menschen mit Behinderung der Übergang von Werkstattarbeitsplätzen in die Arbeitswelt erleichtert werden. 19 Werkstattmitarbeiter betreut der zuständige Integrationsfachdienst zur Zeit. Bei Marcus Kowalski hat das Programm funktioniert. Er hofft dadurch, seinen großen Traum vom eigenen Führerschein verwirklichen zu können. Er und Edeka Minden-Hannover haben heute also doppelt zu feiern - einen neuen Mitarbeiter und 25-jähriges Jubiläum.