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Mutig hinein in das Berufsleben

12.04.2017 CJD Sachsen-Anhalt « zur Übersicht

Volkstimme Schönebeck - Elbe-Saale Rundblick 15.04.2017

VON Ulrich Meinhard

VS/Schönebeck

 

Schönebeck l Wer ist denn der nette junge Mann, der im Edeka-Center die vielen Drogerieartikel in die Regale räumt und dabei so fröhlich lächelt? Das kleine Schild auf seinem Arbeits-T-Shirt verrät es: „Marcus Kowalski“. Und dann ist da auch noch zu lesen: „Salzlandwerkstätten“. Gibt es also eine Art Kooperation zwischen Edeka und dem Christlichen Jugenddorf (CJD), zu dem die Salzlandwerkstätten gehören?

„Gibt es“, versichert Andrea Seelig. Sie ist die Schwerbehindertenvertretung für alle Märkte der Edeka Minden-Hannover. Zusammen mit einer Kollegin ist sie zuständig für das Absatzgebiet der Regionalgesellschaft, das sich von der niederländischen bis zur polnischen Grenze erstreckt. Seit knapp zwei Jahren widmet sich die Mitarbeitervertreterin mit Wohnsitz in Schönebeck unter anderem dieser Aufgabe und also auch der Inklusion. Damit wird die Einbeziehung aller Menschen in die Gesellschaft bezeichnet, auch in Ausbildung und Arbeitswelt, unabhängig von Behinderungen seelischer, geistiger oder körperlicher Art.

Die Arbeit macht Spaß

Markus Kowalski gehört neben Bianca Pflug, Jana Lobstedt und Patrick Kaersten zum CJD-Quartett, das im Schönebecker Edeka-Center Außenarbeitsplätze gefunden hat. Für die Vier ist das etwas Besonderes, ein Beweis für sich selbst, dass sie mithalten können mit allen anderen Arbeitnehmern. „Die Arbeit macht mir Spaß. Und sie ist auch zu schaffen“, sagt Markus Kowalski mit dem für ihn typischen Lächeln.

Die Geschäftsführung des CJD sucht stets nach sogenannten Außenarbeitsplätzen für die eigenen Beschäftigten. Die arbeiten im eigenen Haus in der Industriestraße zum Beispiel in einer Schreinerei, einer Metallwerkstatt, in einer Töpferei und anderen Bereichen. Alles unter Obhut des CJD. Für einige ist diese Belastung groß genug, andere wiederum trauen sich heraus aus der Schutzglocke und hinein ins Arbeitsleben da draußen. Deshalb ist das CJD immer an Partnern aus der freien Wirtschaft interessiert, zu denen auch Betriebe im Gewerbegebiet Barbyer Straße gehören sowie der städtische Eigenbetrieb Solepark.

„Alle reden von Inklusion. Wir machen es“, fasst es Peter Götz zusammen, er ist Produktionsleiter beim CJD. Er sucht sich unter den Beschäftigten diejenigen aus, denen er eine Außenarbeitsstelle zutraut und fragt: „Willst du ein selbstbestimmtes Leben?“ Lautet die Antwort ja, beginnt für die jeweiligen Damen und Herren echte Teilhabe, die seit einigen Jahren gerne als Inklusion bezeichnet wird, ein Begriff aus der soziologischen Theorie.

Einfach "Teamwork"

Michael Mai, er ist Leiter Begleitender Dienst beim CJD, nennt das Ganze schlicht „Teamwork“. Bianca Pflug, Jana Lobstedt, Marcus Kowalski und Patrick Kaersten gehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Edeka-Center quasi zur Hand. Indem sie zum Beispiel Regale einräumen, an der Backwaren-Bedientheke den Geschirrspüler bestücken oder Brot abpacken, werden die Verkäuferinnen entlastet und haben mehr Zeit für Kundengespräche. Andrea Seelig wehrt den Gedanken an „stupide Arbeiten“ sogleich ab. „Es sind für einen Markt notwendige Arbeiten“, sagt sie. Und ergänzt: „Es sind einfach Mitarbeiter, die einen tollen Job machen. Und zwar ohne zu klagen. Wenn sie mal nicht da sind, merken wir, wie sehr sie uns fehlen.“

Pragmatisch und bescheiden, so beschreibt sie die CJD-Beschäftigten auch. Peter Götz weiß aus Erfahrung: „Unsere Leute sind es gewohnt, andere so zu akzeptieren, wie sie sind.“ Michael Mai bescheinigt ihnen eine „gewisse Nachsicht“ im Umgang mit anderen und weiß von ihren „individuellen Steckenpferden“. Diese Stärken gelte es zu sensibilisieren.

"Menschenbildung"

Um Leistung und immer mehr Leistung gehe es aber nicht, zeigt Peter Götz auf, dass geistig und seelisch behinderte Menschen nicht genauso mit sich umspringen lassen, wie ihre Kollegen aus der üblichen Arbeitswelt. Worum geht es dann? „Um Menschenbildung“, nennt Götz den Unterschied. Michael Mai erläutert: „Unsere Leute sind sich bewusst, dass es eine andere Realität ist. Sie wollen dieser Aufgabe gewachsen sein. Sie nehmen die Aufgaben wirklich ernst.“

Marcus Kowalski und seine zwei Mitstreiter kommen selbständig zur Arbeitsstelle und arbeiten täglich sechs Stunden, inklusive Pausen und zwar von 8.30 bis 14.30 Uhr. Beim Gedanken an eine solche Arbeitszeit kann sich Peter Götz nicht zurückhalten: „Wenn wir so arbeiten würden, würden wir auch lächeln.“

"Dann kommen sie zurück."

Doch was, wenn es den Beschäftigten in der „Draußenarbeitswelt“ zu schwierig wird? „Dann kommen sie zurück“, zeigt Peter Götz den problemlosen Weg retour auf. Und gibt es denn Probleme irgendeiner Art? „Also, wir haben jedenfalls keine“, betont Andrea Seelig. Michael Mai meint: „Es ist eine gute Chance für alle, auch für die Kunden eines Einkaufsmarktes, um eventuelle Ängste und Vorbehalte abzubauen. Wir haben schließlich alle unser Handicap.“

Inzwischen hat auch das Edeka-Center in Magdeburg nachgezogen und drei Menschen mit Behinderungen eingestellt, die - genau wie ihre Kollegen in Schönebeck - über den Träger, dort die Lebenshilfe, ein Entgelt erhalten. In Schönebeck arbeitet inzwischen auch in einem Supermarkt in Bad Salzelmen ein CJD-Beschäftigter.