Lernen wie in der Familie

29.09.2016 CJD Sachsen-Anhalt « zur Übersicht

FÖRDERSCHULE Mit Doreen Jahn haben Lehrer der Christophorusschule eine Fachfrau für Diagnostik und Einzelförderung zur Seite. Warum die Kinder sie mögen.

Mitteldeutsche Zeitung vom 29.09.2016

VON HEIKE RIEDEL

WEISSENFELS/MZ

Doreen Jahn kennt jedes der 68 Kinder, die gegenwärtig die Christophorus-Förderschule des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD) in Weißenfels besuchen. Auch jene elf, die in diesem Schuljahr erst dort begonnen haben. Denn sie steht den elf Lehrern als Fachfrau für Diagnostik und Einzelförderung zur Seite und hat sich gemeinsam mit Schulleiter Norbert Solf bereits vor der Einschulung ein Bild von den Jungen und Mädchen gemacht. Welche Fähigkeiten sind bei ihnen ausgebildet, wie können sie sich konzentrieren, wie weit sind sie sprachlich, wie weit motorisch und optisch? Aus welchem Umfeld kommen sie? Was hat sie in ihrem Leben bisher geprägt?

Tief dringt die 40-jährige, die selbst einen elfjährigen Sohn hat und stets mit Kindern arbeiten wollte, in die Familien- und Persönlichkeitsgeschichten der Schüler ein. Denn dies ist Voraussetzung dafür, dass die Lehrer und Pädagogen auf das Verhalten der Kinder einwirken können und den Schülern etwas beigebracht werden kann. Das Handwerkszeug dafür hat Doreen Jahn in ihrem einstigen Beruf als Krankenschwester, ihrer Ausbildung und Arbeit in der interdisziplinären Frühförderung und der Fortbildung zur Fachberaterin für Psychotraumatologie eingesammelt. So vertraut mit den Schnittstellen zwischen Pädagogik, Psychologie und Medizin wurde sie vor fast vier Jahren als ideale Ergänzung des vorwiegend aus Lehrern bestehenden Teams der Förderschule in der damals mit drei Jahren noch recht jungen Schule eingestellt.

Heute haben sich außer ihr elf Lehrer, drei pädagogische Mitarbeiter und zwei Referendare der besonderen Förderung von sechs bis siebzehnjährigen Schülern mit wesentlich abweichenden Verhaltens- oder sozial-emotionalen Reaktionen in ihrem Bildungs- und Erziehungsprozess verschrieben. Die Ursachen für die Verhaltensauffälligkeiten der Schüler sind unterschiedlichster Art. Der Besuch einer gewöhnlichen Schule ist für die Kinder problematisch. Teilweise sind sie traumatisiert. Sie brauchen besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Die erhalten sie von jedem im Schulteam, aber Doreen Jahn kann sich außerdem der Förderung einzeln oder in noch kleineren Gruppen als den acht- bis zehnköpfigen Klassen widmen. Phil aus der zweiten Klasse und André aus der dritten freuen sich darauf. So zumindest sagen es die Karten mit Karikaturen aus, die sie sich zur Beschreibung ihres Gemütszustandes aussuchen. Phil freut sich über die Gemütlichkeit in der kleinen Runde, die auch der MZ-Besuch nicht zu stören scheint. Er kann mittels der Handpuppe Rabe Socke gut kommunizieren und handeln und steht auf Zahlen. Über einen Sing-Rhythmus prägt sich ihm Vieles gut ein. Acht Informationen muss er aufnehmen, um die Bewegungsstrecke sauber zu absolvieren, die er besonders wegen des Trampolins liebt.

André bekundet Stolz darauf, in der Förderstunde sein zu können, möchte sich aber am liebsten teilen, um auch in seiner Klasse alles mitzubekommen. Deswegen zieht er zusätzlich die Karte mit der Aussage "Auch das noch". Doch dann ist er voll dabei vorzulesen, den Jahreskalender zu puzzeln und zum Rhythmus der Triangel zu singen. Das Lob von Doreen Jahn tut beiden Jungen sichtlich gut. Als André mit Rabe Socke über der Hand Phils Bewegungsparcours kommentiert, bekommt der Außenstehende eine Ahnung, wie schwer es ihm fällt, sich zurückzuhalten. Lebhaft und fantasievoll ist er.

Doreen Jahn macht die Arbeit sichtlich Spaß. "Ich habe hier meine Aufgabe gefunden, eine sehr schöne", sagt sie. Ihr Interesse für den Schwerpunkt soziale und emotionale Förderung schlägt sich in einer engen Beziehung zu den Kindern nieder. Sie ist für diese eine wichtige Bezugsperson. Ihre Arbeit führt sie regelmäßig auch in die siebente Klasse von Andrea Bunda, wo sie stellvertretende Klassenleiterin ist und wie die anderen pädagogischen Mitarbeiter die Lehrer im Unterricht unterstützt. So individuell wie möglich auf die Kinder eingehen, das ist das Ziel aller. Als Norbert Solf kurz in der Förderstunde auftaucht, kommt er nicht ohne umarmende Begrüßung von Phil wieder raus. Die Schule lebt ein Stück Familie für die Kinder -besonders im Grundschulbereich.